PUNK IM DSCHUNGEL - INTERVIEW MIT DEM REGISSEUR ANDREAS GEIGER

 
Fangen wir doch einfach mal mit deiner Person an. Also wie du so sozialisiert wurdest, wo du lebst, was du sonst so machst und so weiter...

Also fangen wir mal klassisch an. Aufgewachsen bin ich in einem schwäbischen Dorf bei Stuttgart, sehr ländlich. Und mein größtes Ziel oder meine größte Lust war sozusagen nach dem Abi abzuhauen und raus zukommen aus dem wohl behüteten und mittelständischem süddeutschen Milieu. Und ich hab’s dann sogar nach Freiburg geschafft... am Theater war ich dort Parktitan und dann habe ich mich beim Film Ak beworben und 5 Jahre lang Film und Medien studiert. Und so bin ich dann halt rein gerutscht. Ich war da der erste Jahrgang und es war damals noch alles sehr offen. Ich dachte es eigentlich das sei so eine Art Kunstakademie und habe mich mit gemalten Bildern beworben. Und die haben mich dann auch noch genommen. So bin ich zum Film gekommen.

Also war das gar nicht geplant?

Ich wollte Maler werden, kam dann aber ins Theater Freiburg und wusste schon irgendwie, dass da noch etwas anderes sein muss. Der Begriff Medien war ja 1991 natürlich auch noch ein großes Versprechen... so bin ich irgendwie zum Film gekommen. Und schließlich zum Dokumentarfilm. Dann habe ich in Hamburg gelebt - 5 Jahre, da ich es ja mit der Filmakademie in Ludwigsburg immer noch nicht geschafft hatte in die Großstadt zu ziehen. Nach dem Studium hab ich es dann also nachgeholt und das war alles toll und schön, aber nach 5 Jahren war ich auch schon 33. Und diese ganze Hipness und St.Pauli ist ja alles schön und gut, aber die Herkunft und die schwäbische Provinz haben mich dann doch wieder interessiert. Und jetzt lebe ich mehrheitlich hier. Ich bin schon noch viel in Hamburg und Berlin - wegen der Arbeit oder wegen meinen Freunden, aber ich lebe jetzt auf dem Land, auf einem 500 Jahre alten Bauernhof, wo alles schief und quer ist. Das ist sozusagen meine Zentrale geworden. Und es funktioniert auch wirklich gut, man kann auch hier gute Filme machen und arbeiten, obwohl man ja eigentlich denkt, dass das nur in der Großstadtgebieten geht. Vielleicht ist das ja eine Nebenerscheinung der Globalisierung oder des Internet. Dadurch findet man ja auch gute Geschichten, wie zum Beispiel eine schwäbische Punkband, die ja auch im Niemandsland wohnt. Also der eine - Werner, der im Film auftritt, der wohnt hier 10 Kilometer weiter im Bauernhaus. Er hat da ein Tonstudio und wohnt allein mit seinen 25 Katzen.

Dein Interesse am Lande - vorausgegangen war ja der Film Heavy Metal auf dem Lande - ist also parallel zu deiner Lebensgeschichte zu sehen?

Ja genau, das war im Grunde das gleiche. Ich bin eben aus Hamburg zurückgekommen und sehe hier im Industriegebiet das Radioaktiv-Zeichen, das Logo von Nuclear Blast Records. Der Laden von Steiger, den ich noch kannte, als er als kleiner Punker mit seinen Plattenkisten zu den Jugendhauskonzerten gekommen ist. Und ich war natürlich total überrascht, dass er die größte Halle im Industriegebiet nun Nuclear Blast Records ist. So habe ich den quasi auch wieder kennen gelernt. Ich kannte ihn schon von früher, da er im selben Wohngebiet, wie meine Eltern gewohnt hat... und natürlich sprach sich auf dem Dorf schnell rum, wenn bei irgendeinem sturmfreie Bude ist. Deswegen sind wir da immer rumgehangen. Das war auch eine interessante Mischung. Wir waren eher so Indie-Oberstufenschüler und dazu kamen dann die Punker und die Metaller. Aber das ging irgendwie ganz gut.

Innerhalb der Dorfgemeinschaft wird dann über solche Kleinigkeiten hinweg gesehen.

Genau, die die übrig bleiben oder nach 10 Uhr Abends noch das Licht an haben.

Also gab es auch keine großen Berührungsängste oder Vorbehalte, als du Heavy Metal auf dem Lande gemacht hast. Da kannten dich die Leute einfach noch?

Ja, das war schon ein Vorteil, aber letztlich lagen ja auch 10 Jahre oder mehr dazwischen. Deswegen musste man sich schon noch mal neu kennen lernen. Für mich war es eigentlich ziemlich easy. Ich war zwar nie ein Metaller, aber die Metaller waren einem nicht fremd. Natürlich gibt’s da auch solche und solche. Bei Heavy Metal auf dem Lande geht es ja um Metal, aber auch um Dorfleben. Und das hat ganz gut geklappt dadurch, dass ich beides wieder neu kennen gelernt habe.


Das setzt sich ja in Punk im Dschungel auch wieder ein bisschen fort...

Ja genau, das war so meine Idee. Diese Geschichte passiert eben auch in Donzdorf... so mehr oder weniger. Die Band Cluster Bomb Unit wohnt eben auch um Donzdorf herum. Ich fand es einfach recht spannend, dass dieses recht durchschnittliche Dorf, einige Besonderheiten hat. Dann haben einige Freunde von mir irgendwie gesagt. Jetzt nach Metal und Punk, mach doch einfach eine Trilogie. Und in der Tat ist dann der Guggenmusik-Verein von Donzdorf auf mich zugekommen. Und die sind sehr lustige Leute und sind auch cool auf ihre Art. Auf irgend eine Art sind sie ja auch verwandt mit Punk und Metal, weil es eben brutale Krachmusik ist. Schrägtonmusik. Diese Guggenmusik ist jetzt eingeladen nach China, die sollen Deutschland bei der Olympiade vertreten im Kulturrahmenprogramm. Da will ich natürlich mit - logisch! Denn was ist schlimmer als Metal und Punk - da fällt mir wirklich nur Guggenmusik ein.

Dann steht das nächste Projekt also auch schon...?

Ja, wenn der Sender auch mitmacht. Da bin ich gerade noch schwer am kämpfen, aber ich hoffe, dass es klappt. Der SWR wäre ganz schön blöd, wenn er sich so ein tolles Thema, was Regionalkultur plus Globalkulturbegegnung verbindet, ausschlagen würde.

Klar! Aber kommen wir doch noch mal darauf zurück, wie es überhaupt zu Punk im Dschungel kam. Du hast mir ja erzählt, dass es Cluster Bomb Unit waren, die an dich herangetreten sind.
 
Ja, so kann man’s sagen. Beziehungsweise einer der Hauptdarsteller aus dem Metalfilm, der Oliver Barth, der den Altmetaller im Metalfilm gespielt hat, hat eine Band. Das wusste ich. Aber dass sie immer noch existent sind oder zumindest alle drei Monate proben, dass war mir nicht so bewusst. Naja und dieser Oliver eben war eben Aushilfsschlagzeuger für eine japanische Band, die eine Tour in Südostasien oder in ganz Asien gespielt haben. Und der meinte: Hey, du glaubst es nicht, was da gerade abgeht in Südostasien. Er war nur einen Tag in Jakarta und meinte: So was habe ich noch nie gesehen. Ein Konzert in einer großen Halle mit 5000 Leuten drin. Und 5000 Leute vor der Halle. Und dann war an dem Tag auch noch Präsidentenwahl und der Konzertort musste verlegt werden. Wahrscheinlich haben also viele Leute nicht mal mitbekommen, wo das Konzert wirklich stattfindet. Und trotzdem waren 10.000 Leute da. Das hat mich beeindruckt.

Dann war für dich von Anfang an klar, dass dein Film in Indonesien spielen wird. Das ganze hätte ja durchaus auch in Malaysia oder auf den Philippinen handeln können...

Wir waren ja zweimal vor Ort, also haben zweimal gedreht auf einer Tour. Wir waren also in Singapur, Malaysia... und Cluster Bomb Unit eben auch noch auf den Philippinen. Aber da habe ich schon gemerkt, dass es in Indonesien schon am stärksten, am krassesten abläuft. Und ich wollte mich auch nicht verzetteln, wenn kein Mensch jemals etwas von Südostasien gehört hat. Indonesien selber ist ja schon echt richtig groß, groß genug für unterschiedliche Menschen, Landschaften und Geschichten. Deswegen habe ich mich dann auf Indonesien beschränkt.

Als du dann mit der Band los gereist bist, hast du dich da schon irgendwie vorbereitet oder ging es erstmal um eine lockere Orientierung?

Ja, so kann man’s sagen. Die erste Reise war komplett selbst organisiert. Also richtig DIY. Die Band hatte ihr Tickets und ein Freund von mir meinte: “Hey Andi, buch die Tickets, wir müssen da mit!” Da war im Prinzip gar nichts klar, auch nicht, was für ein Film das werden soll. Es ging nur darum, dass wir schnell 1000 Euro auftreiben müssen. Mein Kumpel, der Tonmann ist dann auch DIY-mäßig mit und hat eben Vorleistung gebracht - einfach rein ins  Abenteuer. Deswegen waren wir auch nur ein Anhängsel von der Band und haben so Szenen und Situationen gekriegt. Es war alles simpler, bescheidener aber auch viel komplizierter, weil du ja die billigste Variante z.B. von Bali nach Malang nimmst. Für 1 Euro 50 gespart hat man dann aber auch einen Holzplatz. Also eigentlich nix gespart. Dadurch wurd’s aber filmisch spannender. Weil wir ja auch bei irgendwelchen Leuten übernachtet haben, die ihre Wohnung komplett ausgeräumt hatten für uns. Sofa auf die Straße, damit die deutschen Punker im Wohnzimmer auf dem Boden schlafen konnten.
Das war bei der zweiten Reise anders, da es anders organisiert war - zwar hatte wieder die Band in Kooperation mit den Locals gearbeitet, aber ich habe natürlich auch ein paar Wünsche geäußert. Z.B., dass wir nach Borneo gehen, weil man da normalerweise nicht hingeht, weil es eben zu Weit vom Schuss ab ist. Aber scheißegal, wenn ein Inlandflug 30 Euro kostet und der Film das bezahlt, dann kann man es sich auch leisten mal nach Borneo zu gehen. Das war natürlich auch gut, denn die haben sich am meisten gefreut, da dort nie eine ausländische Band hinkommt. Von daher gesehen hat der Film, obwohl es ja eine kommerzielle Fernsehproduktion war einigen Leuten dort schon etwas gebracht.

Auf jeden Fall. Wie hast du dich denn insgesamt auf die erste oder auch die zweite Reise vorbereitet. Hast du dich in Punk geschult und irgendwelche alten Platten angehört?

Nee, eigentlich nicht. Wie gesagt bei der ersten Reise ging das alles viel zu schnell. Da hatte ich ja noch gar keinen Überblick gehabt und auch nicht an den Film gedacht. Ich wusste auch nix von Indonesien. Deswegen musste man ja ein zweites mal hin, weil ich da erst gemerkt habe, dass dort das passiert, wovon man in Deutschland immer geträumt hat. Das man wirklich Zentren bildet, dass man Gruppen bildet, dass man DIY-mässig etwas auf die Beine stellt. Das wusste ich alles in der Theorie, das waren alles Träume und Wünsche. Ich habe also erst entdeckt, auf was ich mich eigentlich vorbereiten müsste. Und es war klar, dass ich ein zweites mal hin müsste. Eine Tour zu drehen ist nämlich extrem stressig, da man ja ständig unterwegs ist. Aber um jemanden zu filmen, muss man ja noch schneller sein als diejenigen, die sich unterwegs bewegen. Man muss das auch alles so organisieren, dass mal noch ein Tag Platz ist, weil man ja noch bei den Locals mal einen Drehtag macht um deren Alltag zu erleben. Punkmässig habe ich mich allerdings gar nicht so vorbereitet. In Indonesien ist es ja auch eine ganz eigene Punkgeschichte. Die kennen zwar auch viele Sachen, aber es soll ja auch kein Fachsimpelfilm werden, über eine Geheimtipp Hardcore-Band. Da lass ich mich dann lieber von überraschen. Und Exblödet muss ich nicht unbedingt hören und studieren, haha. Ich wusste eigentlich auch noch ganz gut, wie das alles so ist, aus der eigenen Geschichte, die ja ähnlich ist, auch wenn es in Indonesien größere und viel ernstere Probleme gibt. Aber Probleme sind ja auch subjektiv. Die Behäbigkeit und der Wohlstand waren für mich auch immer ein Problem, so wie für die Indonesier eben Armut und Bildungsmangel Probleme sind, weshalb sie Food Not Bombs und Englischunterricht für Kinder machen.

Nichtsdestotrotz erzählt der Film ja eine Geschichte. Die muss ja irgendwann in deinem Kopf entworfen worden sein. Wann entstand die denn...?

Nach der ersten Reise. Da habe ich mich hingesetzt und überlegt, wie das sein sollte. Und ich steh halt auf Kulturkontraste - so Clashs. Dann war klar, dass ich einerseits den alt gewordenen Punk in Deutschland zeigen wollte. Das war ja eine Jugendidee der Protagonisten, die aber trotzdem noch 20 Jahre diese Sachen machen. Da entsteht natürlich auch eine Gemütlichkeit, eine Behäbigkeit. Bei den Proben hieß es zum Beispiel: “Lass und den und den Song spielen.” Und die anderen meinten nur: “Der Song ist doch wie Fahrradfahren, den verlernt man nie!” Diese Welt wollte ich sozusagen der Welt von den Leuten gegenüberstellen, die in der Regel halb so alt sind. Die Punk gerade neu entdecken. So war die Idee und es war auch klar, dass der Anfang und das Ende in Deutschland spielen mussten. So als ob nichts geschehen wäre.

Lenkt man denn, wenn man so eine Idee im Kopf hat nicht dann doch auch das Geschehen in diese Richtung, die man gerne hätte. Oder pickt sich eben die Sachen raus, die in die Story hineinpassen.

Ja, aber es sind ja sehr einfach Ausschlusskriterien. Klar habe ich jetzt zum Beispiel nicht gefilmt, wie ein Huhn geschlachtet wird in Indonesien... das wäre sicher auch interessant geworden. Das ist so die Sache beim Dokumentarfilm... wenn man echt, ehrlich offen beobachten und sein möchte, dann muss man sehr viele mit in Bezug nehmen, mit einbeziehen. Theoretisch könnte auch ein geschlachtetes Huhn ... ach blödes Beispiel, aber... egal...es könnte eben für eine bestimmte Szene im Film etwas ausdrücken. Aber im Grunde versuche ich schon sehr frei vorzugehen. Man ist es ja auch, weil beim Drehen da dominiert einfach die Realität, da denkt man nicht mehr an sein Tütü-Konzept, oder Szene 7B... “Da brauche ich noch drei Jungen die am Straßenrand stehen...”

Wenn du sagst, dass für dich die Realität dominiert, wie glaubst du ist es für deine Protagonisten, für die es ja nicht alltäglich, dass ein Kamerateam um sie herum schwirrt. Mal abgesehen von Cluster Bomb Unit, die ja sozusagen darauf vorbereitet waren.

Aber auch für die ist es in der Tat nicht alltäglich. Aber die Zeit hilft solche Sondersituationen auszugleichen und zu normalisieren. Nach dem dritten Tag, wo eben die Leute vom Kamerateam dabei sind, da lernst du die ja auch kennen. So wie der Moritz abends seinen Bass spielen muss, so muss eben der Kameramann morgens seine Kamera einstellen. Da entsteht dann auch so eine Art Deal miteinander. Es muss gar nicht so oppositionell ablaufen... obwohl es natürlich trotzdem ein schwieriges Verhältnis bleibt. Man ist ja selbst am polsterten, wenn man sich selbst vergisst... wenn man ganz locker ist und wenn man nicht versucht jemanden von irgendetwas zu überzeugen. Frei von der Leber gesagt, kommt am besten bei den Leuten an. So sind natürlich auch die Szenen, wie sie später im Film sind. Da merkt man einfach wer locker ist. Die Deutschen haben zum Beispiel viel mehr Medienskrupel als die Indonesier. Klar sagen die ihre Sachen auch in die Kamera, während die Deutschen eher so eine Coolness entwickelt haben mit der Kamera umzugehen. Deswegen sind letztlich genug gute Szenen dabei gewesen.

Sind Cluster Bomb Unit denn auch damit zufrieden wie sie repräsentiert wurden?

Ja, da bin ich mir nicht so sicher, weil es heutzutage bei den Medien ja so ist, dass einer etwas sagt oder denkt und selbst wenn es kein guter Gedanke ist, wird der oft weitergegeben. Copy and Paste weiter getragen. Im Klappentext bzw. im kurzen Pressetext stand zum Beispiel “Eine in die Jahre gekommene schwäbische Punkband macht sich auf den Weg nach Asien.” Hört sich natürlich toll an und ist sicher auch okay. Die Band hat es allerdings immer anders aufgefasst und gesagt: “Was? Wir sind doch nicht vom alten Eisen!” Sie haben sich etwas darüber aufgeregt, dass das überall so steht. Irgendwie hat es aber doch auch eine Wahrheit, wenn eine Band 20 Jahre immer auf ihrem gleichen Level und auf eine gleiche Art ihre Lieder spielt. Dann hat das doch auch etwas mit “in die Jahre gekommen” zu tun. Unter Punk versteht man doch eher so ein Sturm und Drang Ding... und wenn man 40 ist, dann ist doch da nicht mehr viel mit Sturm und Drang.

Tja, das musst du beurteilen, das weiß ich noch nicht.... Abgesehen von Cluster Bomb Unit, die mit einigen Dingen nicht zufrieden waren, hast du mir ja auch erzählt, dass es ein wenig Theater gab mit indonesischen Punks, die etwas unsicher waren mit einem Film, der im Fernsehen läuft. Vielleicht kannst du uns da noch etwas zu den Hintergründen sagen, oder erläutern, was die Befürchtungen der Indonesier sind?

Zunächst mal: alle unsere Protagonisten im Film haben ganz genau gewusst, was wir machen. Bei der zweiten Reise war ja dann auch schon klar, dass es für das ZDF ein Film wird. Die indonesischen Punks haben natürlich eine ganz klare Abgrenzung gegenüber ihren Medien.. zurecht, finde ich. In einem Land, wie Indonesien kann man einfach nicht von einem tollen Fernsehen sprechen. Ob man das in Deutschland sagen kann, lass ich mal dahin gestellt, aber mir ist das Öffentlich-Rechtliche, wo es auch tolle Redaktionen wie das Kleine Fernsehspiel gibt, wesentlich lieber... oder ich habe sogar Vertrauen darin, als zum Beispiel in das indonesische Fernsehen. Das kommt ja auch im Film vor. Selbst der Papa von einem Punk meint da: “Ja, im Fernsehen werden die Punks im negativ dargestellt, weil sie lumpige Kleider anhaben und komische Haare, seltsame Musik und so...!” Das entspricht natürlich den konservativen oder bürgerlichen Medien, obwohl man sogar vermuten möchte, dass das eher restdiktatorische Elemente sind. Und das in einem Land, das ansonsten super ist... es ist das Land mit den meisten NGOs und man spürt regelrecht, dass es eine große Zivilbewegung gibt, die in Richtung Demokratie strebt, oder sogar auf bestem Wege dorthin ist. Aber vor 8 Jahren war es eben noch eine Militärdiktatur und ich glaube die Medien stehen da noch tief in der Scheiße drin. Da haben die Punks dann natürlich Vorbehalte gehabt, da es ja doch auch eine kommerzielle Sache ist. Und dann den Punks zu erklären, dass für mich DIY ein Begriff ist, der jedes mal auch neu überlegt werden muss. DIY bedeutet eben nicht nur, dass man einen eigenen Fernsehsender baut, so mit Sendemast und allem. Das ist meiner Meinung nach Quatsch, weil man ja die Welt nicht neu erfinden kann. Ich kann nur versuchen die bestehenden Strukturen zu nutzen und auf strategischen Schleichwegen versuchen, mit Humor und Ironie in diese Strukturen einzudringen und sie zu nutzen. Und wieso sollte ich da nicht das ZDF nutzen?

Ist das auch ein Prinzip, welches man aus deinem Film lernen soll oder lernen kann?

Das ist ganz schwierig, weil man ja niemanden etwas beibringen kann. Da habe ich mich auch davor gehütet, denn nur weil Punk in Deutschland etwas  älter ist, verstehe ich nicht, wieso neue Punkbewegungen in Asien davon etwas lernen sollten. Jedes Problem braucht doch seine eigene Lösung. Natürlich merkt man, dass es fortgeschrittene Strategien gibt, die man auch an anderen Orten der Welt nachahmen kann. Man kann darüber reden, aber andere Probleme verlangen ja auch nach anderen Lösungen.

Meine Frage war eher darauf abgezielt zu erfahren, was du denkst, was man aus deinem Film lernen kann. Als Betrachter meine ich...

Seufz... ja... ich wünsche mir immer, dass sich alles in H2O auflöst. Aber im Ernst. Ich finde man kann lernen, dass Punk eben auch alt werden darf, dass sich eine Gemütlichkeit entwickeln darf und eine Coolness in dieser Hinsicht. Aber was man natürlich ganz deutlich begreifen kann ist: “Hallo Leute in der Wohlstandsgesellschaft, packt euch mal an die Nase und schaut, was in anderen Ecken der Welt geschieht, was dort gemacht wird - aus wenig!” Aus minimalen Möglichkeiten wird ja das Beste gemacht. Das soll man auf jeden Fall lernen, denn so viel Mut und Coolness, wie die da gerade entwickeln ist ein Schub!!
Aber eine genaue Aussage war auch gar nicht geplant. Eher war es so, wie auch beim Metalfilm, dass man eben zwei verschiedene Welten zusammen nimmt und da eine Versöhnlichkeit entsteht, die eigentlich sowieso da ist, weil die internationale Punkgemeinde sich ja eigentlich versteht. Da stellte sich dann eher die Frage, wie man da in Deutschland mit umgeht. Punk ist hier ja mittlerweile hoffähig und es gibt ja mittlerweile die zweite oder dritte Generation. Von diesen Punks ist der Film sehr gut aufgenommen worden, also von Leuten, die im Altern von Cluster Bomb Unit sind. Von jüngeren Punks weiß ich echt wenig. Bei der Premiere des Films waren ein paar da.. und die waren dann auch ganz begeistert. Unter anderem waren auch welche da, die den Film dann auch gleich in ihrem Jugendhaus gezeigt haben in Kombination mit einer indonesischen Band, die da auf Tour war (Anm.: KRASS KEPALA). Das war alles okay, aber so von echten, jungen motivierten Punks, weiß ich wenig. Es waren zwar welche da, aber die haben sich eher um ihre Hunde gekümmert. Die haben immer nur zur Hälfte geguckt und ich musste die ganze Zeit sagen “Jetzt guck doch mal hin!!” Ich stand hinter denen bei der Vorpremiere in einer Videothek in Stuttgart... aber die haben sich nur um ihre Hunde gekümmert. Oder dann eben bei so wirklichen Sparwitzen gelacht, wo ich auch immer dachte “Ey, halt mal! Nicht jetzt lachen, sondern eine Minute später!” Aber es darf ja letztlich jeder aussuchen, was er lustig findet. Interessant war, dass der Film in Indonesien, wo es nur ein paar wenige Vorabkopien gab sehr gespannt aufgenommen wurde. Ich glaube, dass er recht vielen Leuten gefällt, ich habe da aber auch nicht den richtigen Überblick, denn die Leitungen sind dann doch etwas länger als man denkt. Die Leute haben mitgemacht haben, haben unterschiedlich reagiert. Das liegt daran, dass natürlich viel mehr Material gedreht wurde, als letztlich im Film zu sehen ist. Und dann sind vielleicht nur 2 Szenen drin geblieben, die einen ganz eigenen oder anderen Aspekt zeigen, als angedacht, dann fühlt man sich oft so als ob die Seele fotografiert wurde und auf dem Bild ist sie dann überhaupt nicht mehr zu erkennen.

Oh das kenne ich, da möchte man dann am liebsten noch mal darauf hinweisen, was man eigentlich sagen wollte...

Ja genau! Aber die Mitwirkenden haben dann doch recht gut verstanden, dass es kein Punkfilm wird, also nicht von Punks für Punks, sondern dass er auch andere Aspekte einbezieht. In Indonesien ist es ja sowieso nicht so ein Ausschließlichkeitsprinzip. Dort kann der Punk ja auch in die Moschee gehen und wird trotzdem Vollmitglieder der Punkrock Community. Oder Familiengemeinschaftsleben, das findet dort auf der Straße statt, weshalb Punks und Nicht-Punks viel miteinander zu tun haben. Bis vor ein paar Jahren sind sie noch geschlagen worden von der Polizei und den Bürgerwehren, das passiert immerhin nicht mehr. Vielleicht kann ja dadurch der Film ein bisschen Versöhnlichkeit einbringen.
Allerdings haben auch ein paar Leute irritiert reagiert und gesagt “das war uns nie klar, dass das für’s Kommerzfernsehen wird”. Ja gut, ich mache nun mal keinen Film von Punks für Punks... ich will ja keine Bekehrten bekehren.

Wie wurde denn der Film in der bürgerlichen Presse aufgenommen? Oder hast du da auch nicht so den Durchblick?

Zum größten Teil waren die Reaktionen gut. Das liegt daran, dass auch in den Medien ein Generationenwechsel stattgefunden hat. Dass heute Leute in bürgerlichen Machtpositionen sitzen, die früher selbst mit so etwas wie Punk kokettiert haben oder es zumindest als Jugendlicher mitgekriegt haben. Als Jugendlicher ist man ja wertfreier und offener. Ich bin sicher da war auch der eine oder andere Spiegelredakteur mal auf einem Punkkonzert und kann es deswegen nicht ganz schlecht heissen. Und die haben auch recht gut geschrieben, viele haben den Bogen, den ich machen wollte kapiert. Also das Punk in Indonesien mehr ist als nur eine Jugendkultur oder eine Lifestylebewegung. Es geht ja auch nicht um Rebellentum oder Umsturz-Ideen. Nein, es wird ja ganz konkret angesetzt und gesellschaftliche Probleme angegangen. Das kam auffallen gut an in der Presse.

Das ist ja eigentlich das Grundproblem der Punks, einerseits fühlt man sich schlecht repräsentiert in der bürgerlichen Presse, andererseits lebt man ja auch von der Ablehnung dieser Gesellschaft...

Ganz genau!

Wie läuft es jetzt mit dem Film weiter? Ist mittlerweile denn eine DVD erschienen?

In den nächsten Tagen! Es hat einfach lang gedauert, da wir da ein Spezialding drin haben. Und zwar eine CD, die gleichzeitig eine Vinylsingle ist. Das hört sich zwar furchtbar an, ist aber trotzdem witzig. Die CD ist natürlich sinnvoll, denn da bekommt man 15 Lieder drauf. Und zwar aus der ganzen Südostasiatischen Punkszene. Also Singapur, Philippinen, Malaysia, etc. Neues Zeug und einige Lieder aus dem Film, die der Zuschauer toll gefunden hat. Ein hübsches Acapella Lied mit Gitarre oder Bunga Hitam, die wirklich eine große Rolle spielen in der indonesischen Punkszene. Am einfachsten wird diese DVD direkt über’s Internet zu beziehen sein. Einfach www.punk-im-dschungel.de oder auch www.punkfilm.com. Denn das läuft sonst über - jetzt wird mir wahrscheinlich an den Karren gefahren - über Warner. Ich finde das aus dem Grund okay, weil das ein Dokumentarfilm ist, den vielleicht auch Leute sehen wollen, die nicht die geheimen Wege des Punk-Mailorder verstehen.
Wer mehr über Punk oder mich erfahren will, kann ja bei www.gruenbacherbote.de nachlesen, was es neues gibt in Sachen Dokufilme vom Land. Und unter www.gruenbachfilm.de, da gibt es einen Link, wo man den Film bestellen kann. Auf jeden Fall besser als bei Amazon. Also liebe Punks, bitte nicht bei Amazon bestellen, auch wenn ich’s okay finde, dass der der normale Familienpapa dort den Film bekommen kann.

Abschließend muss ich dann doch auch noch mal fragen. Hast du jetzt überhaupt noch Bock auf Punk, oder reicht es erstmal wieder?

Also, ich muss sagen, jetzt habe ich erst richtig den Braten gerochen. Ich meine, das ging ja schon bei Metal los. Ich war ja früher nie auf einem Metalfestival. Heute spielen da ja haufenweise Bands und es macht unglaublich Spaß zwei Tage lang zu filmen. Dann habe ich in einer Hand die Kamera und in der anderen ein Bier. Das macht echt Spaß. Alle möglichen lustigen Situationen zu filmen oder mitzuerleben. Ich will also auch mal wieder auf ein Punkkonzert. Und nicht nur auf Cluster Bomb Unit, die ich in den letzten Jahren ja wirklich häufig gesehen habe. Das einzige, was mich traurig macht, ist zu beobachten, dass so viel Junge gar nicht nachkommen. Es gibt ja schon einzelne und das ist ja auch super und toll, aber ich fände es trotzdem gut, wenn da mal wieder ein bisschen Gas gegeben würde.

Du ja mit deinem Film auf jeden Fall einen Beitrag geleistet, um Punk attraktiv zu machen.

Genau, gebt Gas, sonst tun’s die 40-jährigen.