DIR YASSIN (Israel)

Die Band wurde im Dezember 1997 gegründet. Vor DIR YASSIN war ich (Federico, Vocals) Mitglied in einer anderen Hardcorepunk Band namens NEKHEI NAATZA, welche von 1990 bis 1997 existierte. Wir veröffentlichten eine LP, eine 7", zwei Tapes und machten eine Tour durch die USA. Adi (ebenfalls Sänger) war auch beim letzten Line Up von NEKHEI NAATZA dabei. Davor war er bei PUBLIC DOMAIN (haben ein Split Tape mit NEKHEI NAATZA gemacht) und einigen anderen Bands. Haim (Bass) spielte in WACKOUT (haben ein Tape veröffentlicht) und NEGATIVE IMPACT (welche sich vor einiger Zeit wieder zusammengefunden haben!) mit unserem momentanen Drummer Nir. Sie spielen ebenfalls noch in der Grindband LEHAVOT. Yonni (Gitarre) spielte zeitweise in einigen lokalen Bands. 1998 veröffentlichten DIR YASSIN ein Demo und eine CD-R und spielten einige Gigs in Israel. Im Herbst 1999 spielten wir 28 Shows in Deutschland, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Holland und der Tschechei. Das Ganze lief wirklich gut, v.a. wenn man bedenkt, dass wir bis dato im Ausland noch nichts veröffentlicht hatten. Unsere 7" (auf 'Thought Crime') erschien dann eine Woche nachdem die Tour anfing, also kannte noch niemand unser Zeux. Dennoch waren die Reaktionen grossartig und die meisten Konzerte gut besucht. Zwischen Februar 2000 und August 2001 war die Band inaktiv, da zwei Mitglieder nach Europa zogen und unser alter Drummer Fede die Band verlassen hatte. Aber letzten Sommer fanden wir dann alle in Amsterdam zusammen und nahmen neue Songs auf, worauf unsere zweite 7" auf 'Lengua Armada' veröffentlicht wurde. Wir taten wirklich gar nichts bis Februar 2002, wo wir eine zweiwöchige Skandinavien Tour absolvierten. Die meiste Zeit lief auch sie grossartig!

Für uns ist es ziemlich ungewöhnlich von Bands aus Ländern wie Israel zu hören. Ist es nicht schwer für euch zu existieren? Wie sind Reaktionen und Akzeptanz in Israel? Gibt es von staatlicher Seite aus irgendwelche Massnahmen gegen euch und eure Ansichten?

Falls du meinst ob es ein Problem ist in Israel wie ein 'Punk' auszusehen (Iro, Lederjacke, Springerstiefel): naja, ich glaube, dass du obwohl es nicht in der Form akzeptiert wird wie in Europa nicht deswegen verprügelt wirst, v.a. in den grossen Städten. Scheisse, Models und Fussballspieler haben den 'Punk' Look jetzt seit einiger Zeit übernommen. Aber nochmal, ich laufe jetzt schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr so rum, insofern weiss ich es nicht wirklich und es interessiert mich auch nicht. Wenn du allerdings von linksradikalen / anarchistischen Ansichten sprichst, dann "Ja!". Man erfährt sehr viel Kritik, Hass und selbst Gewalt gegen einen, wenn man es wagt diese laut zu äussern. Vor allem wenn du die Armee kritisierst kannst du Ärger mit dem Staat und der Geheimpolizei bekommen. Zum Beispiel veröffentlichten einige Mitglieder von DIR YASSIN mit anderen unserer Freunde ein Zine welches öffentlich davon sprach sich zu weigern der Armee zu dienen, Tips gab wie man diese umgehen könne und deshalb ernsthaften Ärger mit der Amtsgewalt bekamen. Eine strafrechtliche Verfolgung welche beinahe stattgefunden hätte, hätte einige Jahre in einem sehr isolierten Knast bedeuten können. Glücklicherweise passierte das nicht, aber ich weiss, dass das nicht der einzige Fall war in dem starker Druck ausgeübt wurde um zu versuchen Systemkritiker zum Schweigen zu bringen.
Aber nochmal: die Tatsache, dass wir jüdisch sind macht es für uns wesentlich einfacher als für Araber unsere Ansichten auszudrücken und einige Dinge zu tun. Es sind die arabischen Systemkritiker die unter wirklicher Strafverfolgung leiden und ihr Leben in Gefahrn bringen, insofern wäre jegliche Art von Vergleich zwischen unserer und ihrer Situation lächerlich. Wir (jüdische Bürger Israels) hab ein sehr, sehr einfaches Leben verglichen mit allen Palästinensern und ich denke, dass es unsere Aufgabe ist unsere Privilegien dafür zu nutzen das israelische Apartheidsystem zu zerstören!!!

Wie schafft ihr es Platten von Punkbands in Israel zu bekommen? Gibt es irgendwelche Distros wo ihr euer Zeug kaufen könnt oder is es quasi unmöglich überhaupt irgendetwas zu bekommen?

Israel hat keine grossartige Geschichte im Bezug auf das Produzieren von bekannten Rockacts, mit all seinen Unterkategorien. Eigentlich könnte man ganz einfach behaupten, dass Israels kultureller Beitrag für die Welt bis jetzt allgemein nicht besonders eindrucksvoll war. Trotzdem ist Israel schon seit einigen Jahrzehnten ziemlich auf dem laufenden mit dem was in der westlichen Welt sowohl im kulturellen, als auch im musikalischen Bereich so passiert. Es zieht da auf alle Fälle mehr mit als die anderen Länder der Region. Punk kam hier auch schon 1977 an und es werden seitdem Punkplatten in speziellen Geschäften verkauft. Als ich so in etwa 1988 damit begann HC/Punk zu hören gab es in Tel Aviv einige Läden, die grossartige Platten führten, welche ich wirklich sehr billig kaufen konnte weil damals kaum mehr Leute auf so Zeug standen und die Läden ihr Vinyl loswerden wollten um sich mehr CDs anzuschaffen.
Heutzutage ist es nahezu unmöglich HC/Punk auf Vinyl zu finden, ausser man bestellt es per Post. Es ist sogar schwer das eher DIY Zeux auf CD zu finden, aber es scheint so als würden mehr Kids im Ausland bestellen. Ich schätze, dass das Internet eine Menge damit zu tun hat. Einige Kids verkaufen auch Zeux auf Shows oder machen billige lokale Versionen von ausländischem Zeug um den Leuten die Musik näher zu bringen.

Ihr bezeichnet euch selbst als "Antizionisten" – was bedeutet das für euch genau? Was denkt ihr über den aktuellen Konflikt zwischen Israel und Paslästina? Wer sind eurer Meinung nach die Aggressoren, wie kann die Gewalt gestopt und wie können die Probleme gelöst werden? Ich finde es wirklich schwer mich auf genau eine Seite der beiden Parteien zu stellen da man meiner Meinung nach auf beiden Seiten Verantwortung für die Gewalt finden kann. Was sind eure Standpunkte?

Ich hoffe, dass niemand ernsthaft eine tiefgehende Darstellung eines solch komplexen Themas wie dem israelisch / arabisch-palästinensischen Konflikt in einem Format wie diesem hier erwartet, aber ich versuche trotzdem meine Meinung über einige Hauptprobleme wiederzugeben. Zionismus kann als eine Adoption einer europäischen Ideologie (Nationalismus) des 19. Jahrhunderts zur Lösung von Problemen und Diskriminierung welche viele jüdische Gemeinden in West- und Zentraleuropa erfahren mussten, gesehen werden. Antizionismus bedeutet nicht nur die Ablehnung von den Dingen für die der Staat Israel zu stehen scheint (Apartheid gegen Araber in "Palästina") sondern auch eine "lokale Ablehnung" der Annahme, dass Nationalismus eine lebensfähige Lösung auf lange Sicht sein kann. Auch eine echte Lösung für die Probleme an welchen die Palästinenser (und die meisten Menschen auf der Welt) leiden geht weit über eine Erschaffung einer unabhängigen Einheit hinaus.
Also während sie ein moderner Versuch aber dennoch durch ältere jüdische Traditionen und Erwartungen beeinflusst war, fand die zionistische Bewegung (in ihren verschiedenen Manifestationen) bei vielen jüdischen Menschen, von religiösen Traditionalisten bishin zu Sozialisten und Kommunisten Anklang. Aber nochmal: das bedeutet nicht, dass alle jüdischen Menschen im späten 19. Jahrhundert oder später zum Zionismus tendierten – selbst heutzutage leben die meisten Juden ausserhalb Israels.
Während Tausende bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges von Europa nach Palästina auswanderten (heutiges Israel, welches damals Teil des türkischen osmanischen Reiches war und später von den Briten regiert wurde), gab es im Land immernoch eine arabische Mehrheit bis weit in die 40er Jahre hinein. Die meisten Bewohner lebten dort seit vielen Generationen und die jüdischen Gemeinden in Palästina waren relativ klein.
Der Holocaust war für viele Juden die Bestätigung, dass sie ein eigenes Land brauchen. Obwohl es auch schon vor der Ankunft von Überlebenden des Holocaust und europäischen Flüchtlingen Pläne für die Erschaffung eines jüdischen Staates in Palästina gab (was viele Zionistenführer forderten und über das sie viel schrieben) stand dessen Erschaffung nach dem Zweiten Weltkrieg nahe bevor. Die UN stimmte für eine Teilung Palästinas in zwei Staaten (ein jüdischer und ein arabischer) aber die (arabischen) Palästinenser lehnten diesen Vorschlag ab. Krieg folgte und das Resultat war die Erschaffung des Israelischen Staates in dem ganzen Gebiet.
Einige sagen jetzt vielleicht, so wie die Mehrheit der zeitgenössischen Israelis, dass es Palästinas Fehler war der Teilung nicht zuzustimmen und dass sie all die Probleme selbst geschaffen haben. Andere antworten vielleicht, dass die ganze Idee, dass Araber ihr Land in dem ihre Familien schon seit einigen Generationen leben für Juden aufgeben die gerade erst angekommen (oder auf dem Weg dorthin) waren, absurd war. Vergiss nicht, dass die Antwort nur sehr kurz ist, viele Dinge nicht berücksichtigt und etliche grundsätzliche Annahmen nicht hinterfragt wurden. Man könnte z.B. zweifellos den Standpunkt vertreten (wie es auch einige taten!), dass ein wichtiger Teil der zionistischen Führung 1947–1948 der UN Teilung nur aufgrund von taktischen Gründen zustimmte und eigentlich darauf erpicht war die Grenzen bei der ersten passenden Gelegenheit für sich zu beanspruchen. Und es gibt noch viele, viele weitere wichtige Einzelheiten, die bei den "offiziellen Texten" einfach weggelassen wurden.
Auf jeden Fall war eine der Folgen des "War of Independence" (wie die Israelis ihn nennen) bzw. des "Nakba" (arab. "Katastrophe", wie ihn die Palästinenser bezeichnen) von 1948, die Vertreibung von hunderttausenden arabischen Palästinensern, meistens in benachbarte arabische Länder und viele wurden zusammen mit ihren Nachkommen Flüchtlinge. Eine Menge davon sind es sogar immernoch. Viele andere wurden getötet, so wie beim Massaker in Dir Yassin, ein Dorf kurz vor Jerusalem. Die arabische Bevölkerung die in Israel blieb wurde viele Jahre lang den Militärs unterworfen und sie werden de facto immernoch diskriminierd (z.B. durch kleinere städtische Etats, Darlehen, Baugenehmigungen etc.), selbst wenn sie die israelische Staatsbürgerschaft besitzen.
Nach dem sogenannten "Sechs Tage Krieg" 1967, gewannen die Israelis die Kontrolle über relativ grosse Gebiete ihrer Gegner - Ägypten, Syrien und Jordanien. Zu der Zeit tauchten auch die "besetzten Gebiete" Cisjordanien (Westjordanland???) und Gaza auf. Das Gebiet um Sinai wurde nach einem Friedensübereinkommen an Ägypten zurückgegeben und die Golan Höhen welche zu Syrien gehören wurden offiziell annektiert. Die Eroberung vom Westjordanland und Gaza von Jordanien (ein Land das diese Gebiete niemals wirklich haben wollte und froh war sie los zu werden, aber das ist eine andere Geschichte!) auf die sich viele als "die besetzten Gebiete" beziehen, brachte viele palästinensische Flüchtlinge zurück in die Hand der Zionisten. Die besetzten Gebiete wurden niemals an Israel annektiert, was bedeutet, dass die (arabischen) Bürger immernoch militärischer Herrschaft oder unzeitgemässen, alten Gesetzen unterworfen sind und sie nicht durch israelisches Gesetz geschützt werden. Andererseits erschuf Israel jüdische Siedlungen in diesem Gebiet in denen ihre Bewohner die selben Rechte wie die Bevölkerung in Israel geniessen. Das erschafft ein Apardheidsystem mit jüdischer Vormachtstellung.
1987 machten Palästinenser die in den besetzten Gebieten vom Westjordanland und Gaza leben einen Aufstand gegen die israelische Militärherrschaft was unter dem Namen "Intifada" bekannt wurde. Trotz militärischer Repressionen schaffte es die Israelische Regierung auf sowohl der "linken" als auch der rechten Seite nicht diesen zu Unterwerfen und sie mussten die Palästinenser als ein Volk mit dem Recht auf eine gewisse Autonomie anerkennen. Dieser Fakt, kombiniert mit dem Willen der PLO ein wichtiger Schlüsselspieler unter den Palästinenser zu bleiben führte zum "Osloer Abkommen" und zum sogenannten "Friedensprozess".
Aber dieser "Friedens"prozess konnte das Wohl des grössten Teils ihrer Einwohner nicht wirklich verbessern. Der Autismus und Zynismus der verschiedenen israelischen Regierungen Mitte und Ende der 90er, kombiniert mit einer korrupten von Arafat geführten Macht führte zu einer riesigen Unzufriedenheit innerhalb der Gebiete. Ab einem gewissen Punkt (Sommer 2000) konnt sich selbst Arafat nicht mehr mit den kläglichen, durch den damaligen Premierminister Barak gemachten "Zugeständnissen" abfinden und die Folge war die "El Aqsa Intifada", dem momentanen Blutvergiessen, dessen Zeuge wir nun schon seit über einem Jahr sind.
Warum ich die Intifada verteidige? Weil es offensichtlich ist, dass all die "Friedens"gespräche die seit Anfang der 90er geführt wurden das Leben der überwältigenden Mehrheit der Palästinenser bis jetzt nicht verbessert haben: eigentlich hat sich ihre Situation vor dem Beginn der zweiten Intifade sogar verschlechtert. Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut gegen alle tödlichen Aktionen, die der israelischen Zivilbevölkerung gelten: ich finde sie total widersinnig für den palästinensischen Kampf und tatsächlich ist das der Hauptgrund weshalb diese verrückten Organisationen sie durchführen. Aber den gesamten oder grössten Teil des Kampfes als "religiösen Krieg" zu bezeichnen ist irreführend und falsch. Trotzdem müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass je mehr die Palästinenser unterdrückt werden, desto scheinbar mehr so mörderische Wahnsinnige wie die Hamas und den Islamischen Jihad etc. unterstützen.
Die Lösung des Problems wird erst dann beginnen wenn die Israelis die Palästinenser nicht mehr als eine Last sehen, die es loszuwerden bedarf, sondern als Menschen die seit über einem halben Jahrhundert vom Staat Israel schikaniert wurden und die Frieden, Freiheit und eine gerechte Entschädigung fordern. Obwohl es mitte der 90er so schien als gäbe es einige Verbesserungen in dieser Richtung führte die letzte Intifade traurigerweise zu einer Verteufelung der Palästinenser durch die Medien, eine Sache die die Aufgabe im Moment sehr erschwert.

In Deutschland wird man sehr oft als Antisemit bezeichnet wenn man Zionismus oder die gewalttätigen Reaktionen der israelischen Armee kritisiert – sind solche Beschuldigungen deiner Meinung nach gerechtfertigt?

Ich kann verstehen, dass in Deutschland alles was mit Juden zu tun hat ein heikles Thema ist, aber ich finde, dass selbst wenn das wichtigste Ziel für jemanden der Kampf gegen den Antisemitismus ist (obwohl ich finde, dass das Hauptziel die Freiheit für alle Menschen sein sollte!) eine Unterscheidung zwischen der Politik Israels und den Juden ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Antisemitismus ist! Eine automatische Assoziation zwischen Israels Politik und einem allgemeinen "Jüdischen Willen" kann sehr leicht den Hass auf Juden vergrössern und das ist etwas was bereits geschieht!
Wie beurteilt ihr die Rolle der USA im israelisch-palästinensischen Konflikt?
Falls irgendjemand glaubt, dass Israel dazu in der Lage gewesen wäre seine Politik ohne die Billigung (und sogar Ermutigung) der USA aufrechtzuerhalten muss er verrückt sein. Die USA unterstützen Israel mit einer Summe von zwischen 3 und 6 Milliarden $ jährlich (Schätzungen über die genauen Beträge variieren). Eine grosse Menge davon muss dafür verwendet werden in den USA hergestellte Waffen zu erwerben. Viele Leute glauben, dass der Grund für eine solche riesige finanzielle "Hilfe" die jüdische Lobby in Washington und die Macht des amerikanischen Judentums sei, aber ich glaube, dass solche Leute entweder unwissend, naiv oder antisemitisch motivert sind. Tatsächlich ist die Mehrheit der mächtigen Leute die aktiv "pro-israelisch" sind rechts und fundamentalistische WASPs (Anm. der Redax: weisse, angelsächsische Protestanten in den USA).
Israel ist aufgrund seiner Isolation von seinen Nachbarstaaten und seinem eigenen "Charakter" einer der verlässlichsten Alliierten in der Region, welche zufälligerweise eine von bedeutender Wichtigkeit für viele in den USA ansässige Unternehmen und für die amerikanische Wirtschaft als Ganzes ist – ich werde mich darauf auch nochmal kurz in der nächsten Frage beziehen. Die USA betrachten Israel jetzt schon seit vielen Jahrzehnten als für die Stabilität des Gebietes notwendig und trotz einiger Notwendigkeiten (z.B. für eine arabische Koalition gegen Irak / Afghanistan) die zu einer kleinen Kritik durch Israel führen könnten machen die USA es immer klar, dass sie keinen Druck, egal von welcher Seite auf Israel zulassen werden. Beweis dafür sind die unzähligen Einsprüche in der UNO, die die USA gegen Vorschläge, die als "zu Palästina freundlich" bezeichnet wurden, erhoben hat.

Was haltet ihr von den Militärschlägen der NATO gegen Afghanistan und den Plänen der USA Militärschläge gegen den Irak durchzuführen? Was sind eurer Meinung nach die Gründe für eine solche Vorgehensweise und wüsstet ihr irgendwelche Alternativen die dortigen Probleme zu lösen?

Für mich scheint es ziemlich klar zu sein, dass die US Schläge auf Afghanistan mehr mit strategischen und finanziellen Interessen als mit all diesen Entschuldigungen, die zur Rechtfertigung der Bombardements und der darauffolgenden Interventionen verwendet wurden, zu tun hatten. Es gibt mehrere Leute die sagen, dass die USA versucht haben eine Art von Übereinkunft mit dem Talibanregime zu treffen um US Firmen afghanische Gebiete für Ölförderung nutzen zu lassen und ihr späteres Scheitern war einer der Hauptgründe für die Ereignisse die folgten. Es ist eine Tatsache, dass die USA Bin Laden und seinen Kumpels Rückendeckung gegeben haben als sie gegen die Sowjets gekämpft haben, also wäre eine Kooperation zwischen den beiden nicht so verrückt gewesen wie sie jetzt erscheint. Die USA gab unzähligen Diktaturen Rückendeckung während sie andere kritisierten – zum Beispiel ist die saudische Monarchie irgendwie "positiv" (und das sogar obwohl sie nicht besonders weit von den Talibanpraktiken entfernt ist) während ein Land wie Kuba eine "böse Diktatur" ist. Und obwohl ich finde, dass Castro ein Diktator ist, hat er definitiv weniger Unheil als sämtliche US Regierungen ab dem 20. Jahrhundert angerichtet.
Der Irak, genauso wie die Taliban sind ebenfalls weitere Beispiele von alten Freunden die zu Feinden werden sobald sie es wagen sich einen kleinen Schritt aus den Anordnungen ihres Meisters zu entfernen. Während sie gegen den Iran kämpften wurden sie mit Waffen beliefert, aber als sie amerikanische Interessen, wie bei der Invasion in Kuwait gefährdeten gingen sie zu weit. Also stellt sich die Frage: "Wenn ein Tyrann an der Macht ist und die USA ihn stürzen will, was sollten wir (Anarchisten / Linksradikale) tun und welche Seite sollten wir unterstützen?" Natürlich ist das nicht einfach, da es mich auf der einen Seite nicht stören würde einen so blutdurstigen Größenwahnsinnigen wie Saddam Hussein ausgeweidet zu sehen. Aber auf der anderen Seite könnte eine Rechtfertigung des US Imperialismus auf lange Sicht sogar eine grössere Gefahr darstellen. Und die Leute sollten sich nicht durch die Rhetorik über die "Wiederherstellung von Demokratie" täuschen lassen: jetzt wo der grösste Teil der Welt "offene Märkte" besitzt wird das einzige Ziel der US Aussenpolitik sein sie offen zu halten, ungeachtet darauf was die Mehrheit der Bevölkerung denkt. Demokratien haben in Bush's amtsführenden Augen ihren Zweck erfüllt und die USA könnten auch, wann immer notwendig, damit beginnen sie los zu werden, obwohl das sogar wahrscheinlich auf raffinierte Art und Weise geschehen wird. Es wird immer einfach sein jegliche Alternative zur neo-liberalen Tyrannei als "populistisch", "demagogisch" oder "korrupt" zu etikettieren und sie deshalb US Interventionen zu unterwerfen.
Die einzige Lösung die ich sehe ist die, dass alle Tyranneien öffentlich kritisiert werden und mensch gegen jegliche Art von Verletzung der Menschenrechte, wo immer sie auch geschehen (und ich bin kein moralischer Relativist – Menschen haben Rechte, ungeachtet ihrer sie umgebenden Kultur!) aber ebenfalls gegen falsche "moralische Kreuzzüge", die nur aus einem einzigen Grund (dem finanziellen Nutzen reicher Einzelpersonen) geführt werden, kämpft.

Ok, zurück zur Musik: wie seid ihr zur Punkbewegung gestossen, was ja für euer Land eher ungewöhnlich sein dürfte, oder?

Ich misch jetzt in der israelischen DIY Punkszene seit seinem Beginn, Anfang der 90er Jahre mit. Als wir (Mitglieder von Nekhei Naatza) Punk in der zweiten Hälfter der 80er entdeckten gab es (abgesehen von einigen Ausnahmen) nichts weiter als einige Loser, die sich Freitags den Iro aufgestellt, die Lederjacken angezogen, Exploited gehört und "Fuck the system" an irgendwelche Klowände geschmiert haben. Im Gegensatz zu denen fühlten wir uns von der internationalen DIY HC-Punk Szene angezogen, die vor unseren Augen zum Vorschein kam, also fingen wir an Leuten aus dem Ausland zu schreiben. Eine riesige Menge von Leuten schrieb zurück, schickte Tonnen von Tapes, Zines und Flyern, die uns dazu inspirierten unsere eigenen Zines rauszubringen und eine Band zu gründen – all das geschah ungeachtet der Tatsache, dass es anscheinend zu Beginn fast keine Leute gab die sich für unsere Projekte interessieren könnten. Langsam erreichten die Sachen die wir taten andere isolierte Leute im Land und gegen 1992 um den Dreh rum, gründeten sich mehr Bands, wurden mehr Zines veröffentlicht und Projekte wie eine anarchistische Föderation und eine Tierrechtsgruppe, in denen grosse Teile der lokalen Punk / HC Szene involviert waren, entstanden.
Wie es überall, v.a. in Gebieten wie Israel mit seinem Zwangswehrdienst, zu passieren scheint verliessen viele die Szene nach ein bis zwei Jahren. Trotzdem weigerten sich eine annehmbare Menge an Leuten entweder in der Armee zu dienen (wie z.B. sämtliche Mitglieder von Dir Yassin) oder brachten sich weiterhin in die Szene ein. Aber auf alle Fälle folgten eher wenige Leute, die nicht schon nach kurzer Zeit die Szene wieder verlassen haben dem DIY Ethos und waren bereit mit Musikpromotern etc. zusammenzuarbeiten. Also fing eine handvoll von uns an echte DIY Shows zu organisieren und eine kleine DIY HC Szene entstand rund um den "Left Bank" Club in Tel Aviv.
Der "Left Bank" Club überlebte bis Anfang 2000 und seit da gab es keine echten DIY Veranstaltungen mehr. Es gibt immernoch einige coole Bands (wie Astroglides, Amnon Itzhak und Bar Minan) die DIY Shows an verschiedenen Orten organisieren und es gibt auch noch einige Zines. Aber was z.Zt. mit Hardcore in Israel passiert ist, dass er hauptsächlich für Werbezwecke von Schuhen, Skateboards oder anderer "cutting edge" Mode verwendet wird. Zumindest für mich ist das alles eine irrelevante Art von Musik und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich selbst wenn ich nun 15 Jahre alt wäre auf so einschläfernden Sound, wie er von Labels wie Epitaph, Fat Wreck, Victory usw. produziert wird scheissen würde. Ihnen fehlt das Gefühl von richtiger Wut, Gefahr und Rebellion, das Punk und Hardcore für mich am Anfang so anziehen wirken liess. Irgendwer schrieb (im MRR, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht!?), dass diese Bands, anstatt ihre Wut über die Spießigkeit, wie jene in den 80er Jahren aus sich rauszuschreien über spießigen Lifestyle singen. Ich stimme ihm voll und ganz zu. Aber wir sollten dennoch nicht zu oft der "guten alten Zeit" hinterherschauen, sondern uns darauf konzentrieren uns wichtigen Dingen zu widmen und selbst in den relativ engen Grenzen des HC kreativ zu sein.

Was sind denn eure musikalischen Einflüsse und eure Lieblingsbands?

Unzählbar, ich erwähne hier mal ein paar: Articles Of Faith, Born Against, BGK, Tragedy, Los Crudos, Manliftingbanner, Rattus, Black Flag, Youth Of Today, Minor Threat, Refused, Nasum, Rorschach, Infest, Post Regiment, Sin Dios, Mob 47, Koro, Chain Of Strength, DRI, Toxoplasma, Naked Raygun, Joy Division, Asshole Parade, Conflict, Generation X, Guyana Punsch Line, etc etc etc.

Gibt's Pläne für die Zukunft? Irgendwelche Touren oder neue Platten?

In ein paar Monaten wird unsere dritte 7" auf "La Vida Es Un Mus" veröffentlicht und es ist ebenfalls noch eine Split 7" in Planung, wobei wir noch nicht wissen mit wem und wo. Wir erscheinen auch noch auf einigen Compilation 7". Was die Zukunft der Band betrifft, könnten wir uns diesen Sommer auflösen und unsere letzte Show in Tel Aviv spielen, es könnte allerdings auch sein, dass wir noch ein paar Sachen aufnehmen, einige Shows im Ausland spielen und noch ein bißchen weitermachen. Wir wissen das auch noch nicht genau.

Ach übrigens: wie seid ihr eigentlich in Kontakt mit Thought Crime gekommen?

Ein deutscher Freund von uns spielte Jens von Thought Crime unser Demo vor und er mochte es genug um uns anzubieten eine 7" bei ihm zu veröffentlichen. Obwohl das Label jetzt von jemand anderem gemacht wird unterstütze uns Thomas (der es eben jetzt betreibt und in der der grossartigen HC Band Y spielt) total und war eine grenzenlose Hilfe für Dir Yassin. Er pushte die 7" wirklich und wurde zum Glück alle 2000 Exemplare los. Ich glaube er zieht es sogar noch in Betracht einige mehr zu pressen.

Also dann, danke für eure Zeit - irgendwelche letzten Worte für die Hörerschaft in Deutschland?

Ich sags noch einmal: denkt nicht, dass euch Kritik an Israel zu einem Nazi macht – die Lehre des Holocaust sollte sein Menschenrechte und nicht bestimmte "Rassen" zu schützen. Dank an alle Leute aus Deutschland die unsere Shows während der 99er Tour und / oder unseren diesjährigen Gig in Potsdam (sorry, wir konnten nicht mehrere Shows bei euch spielen!) besuchten oder unsere Platte kauften. Besondere Grüsse gehen an Ilja, Jorn, Y, Crude BE, Kobayashi und Ebola. Tschüss !!!

06.04.2002