LECSA PUNK (Ungarn)

Okay, wann und wie kam es zur Gründung von LECSA PUNK? Woher habt ihr diesen Namen?

LECSA PUNK wurde im Oktober 1993 gegründet. Damals waren es nur Börzsak (Drummer) und ich, Rocky (Bass und Gesang). Der Name wurde uns von einem guten Freund – dem Bruder des Schlagzeugers – gegeben.

Ihr habt die Band kurz nach dem Fall des Kommunismus gegründet. Bitte erklär mal, wie sich seitdem das Leben in Ungarn speziell in der Punkszene verändert hat.

In Ungarn gab es ein strenge kommunistische Regierung. Sie wollte absolut nichts von Punkrock wissen, weil Punkbands gegen die Unterdrückung kämpfen.  Jetzt haben wir mehr Freiheit und wenn man genug Geld hat, dann kann man sich auch alles kaufen. Allerdings sind die Preise sehr angestiegen – das ist manchmal nicht einfach, denn die Löhne sind immernoch sehr niedrig. In the Punkszene gibt es mehr Bands als noch vor 10-20 Jahren. Es ist nun auch möglich Demos oder Alben aufzunehmen... oder zu touren. Früher war das alles viel schwieriger. Es gab nur selten Konzerte und dann heimlich.

Du hast mir erzählt, dass es immernoch Bands mit kommunistischen Idealen gibt. Warum denkst du, ist das so?

Vielleicht ist das nur Spass, weil die Situation heute eine ganz andere ist. Man kann sagen, was man will.

Wie würdest du deine politische Einstellung beschreiben? Bist du Anarchist?

Ja, wir sind Anarchisten. Wir wollen in Friede und Freiheit leben.

Erzähl uns wie du ein Punk geworden bist. Was denkst du ist der wichtigste Faktor um sich zu einem Punk zu entwickeln? Sind das Eltern, Schule oder gar der Staat?

Ich kam mit Punk in Berührung als ich 14 war. Zunächst war es nur die Musik von Bands wie Sex Pistols, Exploited, Dead Kennedys... Die Schule war dabei ein wichtiger Faktor, denn ich hasste alle Regeln, die sie mir aufzwangen. Ich fühlte mich dort einfach schlecht. Ich lebte ein Jahr lang in einem Internat (bis ich 15 wurde). Das war eine sehr schwere Zeit für mich, weil die idiotischen Lehrer mich nicht leiden konntn, weil ich ein Punk war.

Du hast mir gesagt, dass du ein gutes Verhältnis zu deinen Eltern hast. Was halten sie von Punk, wissen sie überhaupt um was es bei Punk geht?

Ja, ich habe überhaupt keine Probleme mit meinen Eltern. Sie akzeptieren, dass ich Punk bin. Sie selbst wollten auch immer frei sein. Sie wissen dass die Punkbewegung politisch ist und sie hören sich auch einige der Texte an, die Punkbands singen.

Wenn du Kinder hättest, würdest du sie genau so erziehen, wie du erzogen worden bist? Was würdest du anders machen und was für Dinge waren an deiner Erziehung gut?

In mancherlei Hinsicht würde ich meine Kinder genauso erziehen, wie es meine Eltern mit mir gemacht haben. Aber nicht in allen Dingen. Ich war ein freies Kind – ich ging zum Fussball, konnte auf der Strasse mit vielen anderen Kindern spielen und später ohne Probleme zu Konzerten gehen.

Wo hast du eigentlich das Bass spielen gelernt?

Ich habe nie bei einem Lehrer Unterricht genommen. Ich liebte Musik und war davon sehr inspiriert. Also kaufte ich mir 1993 einfach einen Bass und gründete mit meinem Freund die Band LECSA PUNK.

Du bist für fast alles bei LECSA PUNK verantwortlich. Du kümmerst dich um die Konzerte und um alles andere. Hast du da nicht manchmal die Schnauze voll. Wäre es für dich nicht manchmal einfacher nur zu spielen?

Ja, ich bin sowas wieder Bandboss. Ich bin der, der alles innerhalb der Band organisiert. Klar, manchmal wäre es einfacher nur zu spielen, aber ich will immer genau wissen, was mit der Band ist oder was ich mit Konzertveranstaltern abgemacht habe. Ich habe gerne Kontakt zu vielen Leuten und ich versuche all meine Energie in die Band zu stecken – das ist mein Leben.

Deine Band hat eine neues Line-Up, weil euer alter Gitarrist Alkoholiker war. Was hälst du generell von Drogen und Alkohol in der Punkszene?

Huuu! Der alte Gitarrist ist nun wieder dabei. Er ist ein sehr guter Gitarrist, doch wir hatten vor 10 Monate ziemliche Probleme mit ihm. Deshalb hatten wir einen anderen Gitarristen. Doch ich hoffe in der Zukunft werden wir keine Probleme mehr haben. Leider ist Alkohol ein grosses Problem in der ungarischen Punkszene. Manchmal trinke ich auch, aber nicht ständig. Viele Leute kommen zu den Konzerten, besaufen sich und denken, das ist dann Punk, das war’s. Sie interessieren sich für überhaupt nichts ausser für’s saufen. Ich hasse das. Das sind keine Aktivisten wie ich. Das ist keine wirkliche Bewegung. Drogen sind sogar noch ein grösseres Problem, weil sie stärker sind als Alkohol und weil sie mehr kosten. Ich hoffe dass in der Zukunft immer weniger Menschen Drogen nehmen. Wir müssen gegen Drogen und Alkoholismus kämpfen.

Deine Band hat politische Texte. Sag doch mal etwas über die Inhalte eurer Lieder. Was versuchst du auszudrücken und wie reagieren die Leute darauf, die die Texte verstehen?

Die Texte handeln vom täglichen Leben, dem Überleben, dem täglichen Kampf der Leute, von der politischen Situation und diesen sinnlosen Kriegen. Wir schreien unsere Meinung heraus und unsere Message ist uns wirklich sehr wichtig. Vielleicht fühlen sich die Leute, die diese Songs hören ähnlich wie wir. Wir müssen gegen Kapitalismus und gegen die Unterdrückung kämpfen. Man muss seinen Verstand nutzen und sein Leben nicht vor dem Fernseher verbringen. Und wir sagen immer wieder: Punk ist kein Spass – es ist ein Lebensstil.

Ihr seit sehr oft auf Tour durch das Ausland. Hätte ihr euch jemals träumen lassen, dass das mit eurer Band möglich wäre? Was gefällt euch am besten, wenn ihr auf Tour seid?

Nein, am Anfang hätten wir uns das nie träumen lassen. Aber wir arbeiten immer sehr hart für das, was wir erreichen wollen. Anfangs war es eben sehr schwer. Als wir 17 Jahre alt waren haben wir mit der Band angefangen – niemand wollte uns helfen, doch jetzt wird es immer besser. Vielen Dank an all meine Freunde – besonders denen, die im Ausland leben.
Für mich ist es das beste Freunde aus anderen Ländern zu treffen, mit ihnen über alles mögliche zu sprechen und ein paar Bier mit ihnen zu trinken. Ich bin sehr neugierig und will immer alles über ein Land in Erfahrung bringen. Ich liebe es neue Leute/Freunde zu treffen. Ausserdem reise ich sehr gerne... es macht mir einfach sehr viel Spass.

Und was sind die negativen Seiten der Tour?

Die Grenzen und die Polizei Kontrollen. Wenn sie ein ungarisches Auto sehen, dann fangen sie an mit ihren langen, strengen Kontrollen. Manchmal ist auch das Geld sehr knapp...

Ja, jedesmal, wenn ich mit Band über ihre Touren spreche, dann erzählen sie mir, dass sie Probleme mit der Finanzierung haben. Wie schafft ihr es mit dem Geld klar zu kommen? Arbeitest du noch nebenher?

Klar, das ist das alte Thema... immer Probleme mit dem Geld. Alles ist so teuer.. das Benzin, Öl, Reparaturen am Auto, Steuern... Für mich ist es schwieriger mit dem Geld auszukommen, als für Leute aus westlichen Ländern. Das ist das typische Ostblock Problem. Hier ist es einfach schwieriger zu leben als im Westen. Hier gibt es viele Leute, die auf der Strasse leben und die wirklich sehr arm sind.
Ich selbst arbeite in einer Fabrik aber meine Situation dort ist nicht gerade einfach. Jedesmal wenn wir auf Tour gehen wollen, kann ich nicht zur Arbeit gehen. Und natürlich wollen sie mir nicht so viel Urlaub geben, wie ich eigentlich bräuchte.

Ungarn ist ja eines der Länder, die gerne der EU beitreten wollen. Was hälst du von der Europäischen Union? Hattest du jemals Probleme in die EU zu reisen? Braucht ihr Visa oder ähnliches?

Ich glaube nicht, dass es Ungarn durch einen Beitritt zur EU wirklich besser gehen würde. Wahrscheinlich würden die Menschen noch extremer ausgebeutet werden und der Profit ginge an Mulitnationale Konzerne. Reisen wäre ohne die Grenzkontrollen einfacher, aber schon jetzt brauchen wir kein Visa, um in die EU zu gelangen.

Lass uns mal über die Ungarische Punkszene sprechen. Kannst du uns ein bisschen von den Anfängen der Szene berichten?

Die alte Szene war sehr im Untergrund angesiedelt und war generell viel wütender als heutzutage. Durch die strenge Regierung war es einfach viel schwieriger Punk zu sein. Konzerte wurden oft durch die brutale Polizei beendet und einige Leute wurden sogar ins Gefängnis gesteckt, weil sie Punks waren. Und als Band zu existieren war aufgrund dieser Diktatur kaum möglich.

Und wie sieht es momentan aus?

Die derzeitige Szene ist sehr schlecht. Für viele bedeutet Punk einfach nur Spass. Ich kenne viele gute Leute aus der Punkszene, doch auf Konzerten treiben sich eigentlich immer die dummen herum. Viele sind einfach Fashionpunk, um dich ich mich überhaupt nicht kümmere und die mich auch gar nicht interessieren. AURORA ist die beliebteste und bekannteste Punkband. Sie haben schon in halb Europa getourt. BARACKCA haben auch schon im Ausland gespielt, aber im allgemeinen mag ich ungarische Bands nicht besonders.

Gibt es auch eine faschistische Bewegung in Ungarn? Vor welchen Bands sollte man sich in acht nehmen?

Naja, es gibt keine wirkliche Bewegung – aber Nazis gibt es natürlich trotzdem. Vor allem in den grösseren Städten. Ich hasse diese Typen, aber zum Glück gibt es nicht wirklich viele davon. Bei Fussballspielen sind die Hooligans ein wirkliches Problem. Viele Faschisten mischen sich dort unter die Fussballfans und generell sind dort einfach zu viele Arschlöcher. Vielleicht gibt es in den grossen Städten die ein oder andere idiotische Naziband, doch in Süd Ungarn wo ich lebe gibt es soetwas nicht.

Es gibt keine Squats in Ungarn. Liegt das an den harten Gesetzen oder an dem Mangel an Aktivisten? Wo finden Punkkonzerte statt? Gibt es keine alternativen Zentren oder politische Organisationen?

Es liegt an beidem. Zunächst haben wir sehr strenge Gesetze, aber auch Leute, die soetwas in die Hand nehmen, gibt es kaum. Konzerte finden also in Kneipen und Clubs statt. In Ungarn gibt es nur sehr wenige gute Konzertorte und viele der Kneipenbesitzer verlangen viel Geld, wenn man ein Konzert organisiert. Das sind verdammte Geschäftsmänner, die sich nicht um die Band scheren und die mit Punk nichts am Hute haben. Sie interessiert nur Geld, Geld, mehr, mehr, Geld, Geld.

Was habt ihr für die Zukunft geplant?

Wir wollen im September und Oktober in West-Europa auf Tour gehen. Ich hoffe mit der Hilfe von meinen Freunden wird das irgendwie hinhauen. Ausserdem wollen wir noch ein paar schöne Platten aufnehmen und in Länder fahren, in denen wir bisher noch nicht waren.

Bis dann, danke!